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Dieses Interview führte Verena Hoyer. Es erschien zuerst in der Blätterwelt Dez. 2009, einer Zeitschrift für Lyrik, Prosa und andere Gedankenwelten

Bezug: Fabienne Siegmund
blaetterwelt@gmx.de


Interview mit Linda Budinger

Vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast!

Gerne.

Wie kamst du auf die Idee zu „Die Nebelburg“?

Die Idee hatte ich schon als Schülerin. Ich glaube, durch die Beobachtung, dass es damals wenig überzeugende Frauenfiguren gab. Außerdem wollte ich einmal eine Frau von einer anderen Frau retten lassen, anstatt wie sonst üblich, von einem männlichen Helden, Geliebten, Ehemann, Bruder ... Und so begann die ehemalige Geschichte damit, wie Daphne sich auf der Suche nach der Nebelburg durch den Wald schlägt.

Was erwartet den Leser, wenn er das Buch aufschlägt?

Eine Actionszene ;-) So ganz konnte ich von dem alten Konzept im Wald dann doch nicht lassen, auch wenn der Roman inzwischen mehr vom Leben der Hauptfiguren beleuchtet.

Auf welcher Idee basieren die Charaktere von Rinia und Daphne, und wolltest du etwas Spezielles ausdrücken durch die Art, wie beide sind?
Daphne ist ja zum Beispiel einfach unkonventionell, aber Rinia ist oft auch in den Konventionen gebunden und stürzt sich durch ihre Liebe sozusagen ins Verderben
.

Auf übergeordneter Ebene verkörpern Daphne und Rinia Gegensätze, sind die zwei Seiten einer Medaille (oder Persönlichkeit) und sollen zeigen, dass nicht immer der Forscheste am weitesten kommt.
Auf Figurenebene sind beide Außenseiter. Sie passen schließlich nicht so recht in die wohlgeordnete Umwelt, entsprechen nicht den Erwartungen ihrer Familie und finden erst gemeinsam die Kraft, das auch auszuleben, zu artikulieren und nach einem anderen Horizont zu streben.

Ist der Traum, ein Ritter zu werden, etwas was dich zum Schreiben des Buches bewegt hat und vielleicht ein Kindheitstraum? Und wenn du einen hast – welcher ist dein Lieblingsritter und warum?

Ich war als Kind ein Wildfang – und mit Prinzessinnen wollte und konnte ich mich nie identifizieren. Dann doch lieber die Ritter. Ich habe früher Göttersagen aus der ganzen Welt gelesen, nordische Heldengeschichten,  Schöpfungsmythen, natürlich auch den Sagenkreis um Artus und den Gral. Mein Lieblingsritter ist ganz klar Lancelot, aber auch Parzifal mag ich gern.

Wie bist du zum Schreiben gekommen, bzw. was treibt dich dazu, zum Stift zu greifen (oder zur Tastatur)?

Geschichten wollen erzählt werden und möchten nicht im Kopf eingesperrt bleiben. Das Aufschreiben der Texte und spätere Teilen mit anderen Menschen ist mein wichtigster Antrieb. Eine stille, also eine unerzählte, Geschichte gleicht einem Samenkorn, das keine Blüte treiben konnte.
Beim Aufschreiben wachsen die Geschichten, bekommen Gestalt und manche Facette, die mir selbst erst mit der eingehenderen Beschäftigung deutlich wird.
Wobei auch das Schreiben zwiespältig sein kann, denn eine einmal festgelegte Geschichte ist, sobald sie endgültig aufs Papier gebannt wurde, auch für mich beendet. Während im Gegensatz dazu ungefügte Plots noch verführerisch glitzern und sich beständig in der Vorstellung wandeln, um meine Aufmerksamkeit (und eine eigene Datei) buhlen.

Hast du beim Schreiben bestimmte Eigenheiten? (Es soll ja Autoren geben, die nur bei Vollmond schreiben, den Lieblingsstift in der Hand oder ähnliches)

Die Frage mit dem Lieblingsstift erübrigt sich bereits dadurch, dass ich seit über 10 Jahren zur Texterfassung nur am Computer arbeite. Ich schreibe am liebsten zuhause, brauche eigentlich aber in erster Linie Ruhe dazu, oder ausgewählte Musik. So gesehen schreibe ich jeden Tag (oder beschäftige mich zumindest mit den Texten, auch überarbeiten und Recherche ist ja neben dem rein Schöpferischen Bestandteil der Arbeit).

Die viel zitierte Schreibblockade – ist sie dir schon begegnet und hast du ein Rezept gegen sie?

Schreiben wollen, es aber nicht können, kenne ich eigentlich kaum. Man muss ja nicht dauernd schreiben, und ohne kreative Pausen ginge es nicht voran. Ich kann nur dazu raten, Texte zu verfassen, die einem von vorne bis hinten Spaß machen oder mit denen man begründete Hoffnungen verknüpft. Ein persönlicher  Bezug ist gerade bei Auftragsarbeiten wichtig, damit auch sie eine »Seele« bekommen.
Zu den Leuten, die zwanghaft über die Projekte reden, an denen sie gerade sitzen, sich mit anderen austauschen oder bei ihnen Rat holen, gehöre ich allerdings nicht. Es bringt mich weiter, die Energie direkt in den Arbeitsprozess zu stecken. Daher lautet mein Geheimrezept für Motivationsflaute: nicht über ungelegte Eier sprechen, sondern nur fertige Texte herausgeben, damit der Anreiz des Aufschreibens bleibt und nicht durchs Erzählen schon verpufft.

Gibt es Autoren und Bücher, die dich inspiriert haben?

Ich habe natürlich Lieblingsbücher, aber diese Liste könnte ausführlich werden! Da wäre Astrid Lindgren, deren Werke ich schätze, wo ich mich aber speziell an »Mio, mein Mio«  (neben den Michel-Büchern) aus der Kindheit noch sehr lebhaft erinnere. Märchenhaft einfach, klar, aber doch sehr lyrisch. Auch wenn ich ganz anders schreibe, ist Astrid Lindgren vermutlich die Autorin, die mich am frühsten beeinflusst hat. Aber ansonsten gibt es unzählige Schreiber, deren Werke mich angeregt (oder aufgeregt!) haben. Tatsächlich war das Bedürfnis, mich stilistisch und thematisch von anderen Autoren abzugrenzen (»Schreiben ja, aber so nicht«) eine starke Triebfeder.

Du hast ja auch einige Bücher zum Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ geschrieben, unter anderem auch Teil 1 der bei EUROPA erschienen Hörbuchserie. Spielst du selber leidenschaftlich gerne?

Ich spiele schon länger, und zwar seltener als früher, aber immer noch regelmäßig in zwei mehr oder minder festen Gruppen. Nach den ersten Ausflügen in die DSA-Welt vor 20 Jahren sind wir erst auf selbst geschriebene Abenteuer und schließlich ein eigenes Regel-System umgestiegen. Ansonsten spiele ich noch Role Master (bzw  Space Master).
Nach meinen Erfahrungen ist das Regelwerk allerdings selten allein wichtig. Viel bedeutsamer ist die Zusammensetzung der Gruppe, ein fähiger Spielleiter und die Ziele der Spieler. Da gehen die Meinungen ja oft sehr auseinander, von »möglichst großer Realitätsnähe« und »Simulation einer phantastischen Wirklichkeit« bis hin zu: »Hauptsache zusammen Spaß haben, spielen, essen,  lachen ...« Man bekommt mit der Zeit auch eine andere Perspektive darauf und ich tendiere eher zum Spaßfaktor als zum Regelfetischismus.

Und hast du beim Schreiben jemals schon eine Entscheidung gewürfelt?

Lustige Frage. Künstlerische Entscheidungen zu erwürfeln, finde ich wirklich abwegig :-) Da die Richtung ja vorgegeben ist, ergibt der Verlauf sich ohnehin aus der Geschichte, dem Plot und der Figur. Ein klares Nein also.

Was kann man in Zukunft noch von dir erwarten?

Im Moment schreibe ich für den Sieben Verlag eine »gothic novel«, die im Herbst des nächsten Jahres erscheinen soll. Daneben soll es mit den Greifenrittern auch weitergehen. Teil 2 und 3 sind bereits grob geplottet und müssen nur noch eine endgültige Form bekommen.Ansonsten laufen in Zusammenarbeit mit meiner Agentur verschiedene Projekte, die noch nicht spruchreif sind.

In welchen Roman würdest du gerne mal springen, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?

Immer in den aktuellen, an dem ich gerade arbeite. Es würde das Schreiben enorm erleichtern, wenn man die Welt von innen betrachten und die Geschichte als Panorama an sich vorbeilaufen lassen könnte, anstatt selbst mühevoll Stein auf Stein zu türmen, damit hinterher eine ansehnliche Burg dasteht.

Nun eine fiese Frage: Welche drei Bücher würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen?

Der Herr der Ringe wäre auf alle Fälle ein heißer Kandidat. Aber um eine solche Auswahl zu treffen gibt es einfach zu viele gute Bücher. Wirklich!

In der BLÄTTERWELT geht es dieses Mal um Märchen und Märchenhaftes.
Welches ist dein Lieblingsmärchen und welches Märchen würdest du mit dem Buch vergleichen?

Mein Lieblingskunstmärchen ist »Die Schneekönigin« von H.C. Anders. Man merkt schon die Parallelen zu eigenen schreiberischen Vorlieben. Starke Heldin, starke Antagonistin ... es ist eine äußerst weiblich geprägte Geschichte, wie auch an den Helferfiguren deutlich wird: das Räubermädchen, die Lappenfrau und das Finnweib.
Doch obwohl ich in vielen Texten gerne Märchenmotive verwende, wie etwa den Zauberwald, die magische Verwandlung, die Heldenreise, würde ich doch nicht so weit gehen, ein konkretes Märchen mit z.B. der Nebelburg zu vergleichen. Romanfiguren sind individualisiert, Märchenhelden dagegen archetypisch und generalisiert. Auch das Formelhafte von Märchen lässt sich in der erzählenden Literatur nicht immer gut umsetzen.

Welchen Märchencharakter magst du besonders (und warum)?

Am ehsten wahrscheinlich den dritten und jüngsten (Königs)sohn,  der selbst unter den ungünstigsten Bedingungen ins Blaue hinein startet, durch sein gutes Herz Freunde und magische Helfer gewinnt und am Ende seine hochfahrenden Brüder raushauen muss. Eine konkrete weibliche Entsprechung fiele mir nicht unbedingt ein, obwohl Aschenputtel auch unter ihren Schwestern zu leiden hatte.
Eigentlich mag ich aber die meisten Märchenhelden, hängt auch immer von der persönlichen Stimmung ab. Märchen wachsen mit dir und mit zunehmender Erfahrung kann man immer wieder Neues darin entdecken.

Und zu guter Letzt: Deine Worte für die BLÄTTERWELT und ihre Leser/innen

Folge deinem Traum und das Leben folgt dir.

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